„Sind Sie noch da?“ – Das Comeback des Versteckspieles

Das online Meeting mit den Teamkollegen beginnt, das Meetup zum Netzwerken am Abend oder das online Training zur Teamentwicklung mit einem Kunden. Nach und nach erscheinen viele kleine Fenster auf dem Bildschirm. Bekannte oder mir unbekannte Gesichter nehmen Einstellungen an Kamera und Mikrofon vor und rücken noch einmal die Frisur zurecht, sobald sie sich selbst auf dem Bildschirm entdecken. Manche winkend lächelnd in die Kamera und reden direkt los – natürlich ohne die Stummschaltung zuvor deaktiviert zu haben. Es dauert eine Weile, bis alle startklar sind. Nicht viel anders, als wären wir alle offline im Meetingraum.

Szenen, wie sie zu Beginn diesen Jahres noch schwer vorstellbar waren. Zumindest in dieser Anzahl und mit dieser Selbstverständlichkeit. Viele scheinen bereits routiniert, andere kämpfen weiterhin mit der Technik und der allgemein ungewohnten Situation – so ganz alleine.

So ganz alleine. Ja, denn so ganz alleine bin ich plötzlich auch wieder. Sobald die Small-Talk Runde mit Begrüßung und „wie geht es wem und warum“ abgeschlossen ist, verschwinden nach und nach alle Gesichter. Klick für Klick für Klick werden eben noch reale, sich bewegende Menschen durch kleine schwarze Kästchen ersetzt. Mittendrin Namen wie „Terminator“ oder „die Usche“ – in weißer Schrift. Mein Gehirn benötigt eine Weile und tut sich wirklich schwer, die einzelnen Stimmen den seltsamen Namen zuzuordnen.

Um das „Terminator“-Kästchen herum erscheint ein farbiger Rahmen. Der Terminator spricht. Es könnte Stefan sein, der Projekt-Controller. Sicher bin ich mir nicht, dafür hatte ich bisher zu wenig mit ihm zu tun. Außerdem sind meine Gedanken damit beschäftigt, das Terminator-Bild mit dem Stefan-Bild irgendwie miteinander zu vereinen. Ich bin verwirrt und habe nicht mitbekommen, was Kathrin eben sagte. Ihre Stimme erkenne ich nämlich. Außerdem heißt ihr Kästchen auch Kathrin.

Huch, ein Bild! In der oberen linken Ecke erscheint Markus, der Projektleiter. Hat er die Kamera-Funktion aus Versehen deaktiviert oder aus Versehen nun wieder aktiviert?

„Sorry, ich war kurz noch mal weg. Bin wieder da.“

Ah, okay. Er war nur mal kurt weg. Es scheint, als würde das niemanden stören. Zumindest sagt niemand etwas dazu. Möglicherweise schon, aber dann eben mit aktivierter Stummschaltung.

Finde nur ich das alles seltsam? Als Trainerin und Moderatorin wurde mir intensiv beigebracht, die Körpersprache meiner Teilnehmer wahrzunehmen und zu lesen. Nur so ist es mir möglich, Trainings, Workshops und auch Meetings ganz individuell zu gestalten und in Echtzeit anzupassen. Und nun sind alle weg!

Kathrin prüft vielleicht gerade ihren Instagram Account oder macht das ein oder andere Selfie dafür. Frank hat sich entspannt zurückgelehnt und die Augen zugemacht. Vielleicht versucht „Die Usche“ gerade ganz verzweifelt den Ausführungen von Tom zu folgen – mit fragendem Gesichtsausdruck und ständigem Kopfschütteln. Tom würde es ihr sicherlich genauer erklären, wenn er wüsste, wie „Die Usche“ gerade schaut. Er sieht es nur nicht – und erzählt weiter. Ist Markus wieder weg? Seine Kamera ist schon wieder aus.

Was beim Lesen sicherlich lustig klingen mag, kann leider ganz schnell nach hinten losgehen. Wir alle gewöhnen uns nämlich sehr schnell an diese – ganz neue – Form der Unverbindlichkeit. Das bemerke ich schon jetzt, wenn ich zu Beginn eines online Meeting darum bitte, die Kamera nicht auszuschalten. Da gibt es sogar Personen, die regelrecht unfreundlich und genervt reagieren. Manche sind einsichtig und antworten mit „Stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht.“ Mein persönlicher Favorit ist der Fürsorgliche mit der Begründung „Ich möchte die anderen Teilnehmer nicht stören, weil ich ja eh die ganze Zeit andere Dinge mache und dadurch dann so viel Bewegung im Bild ist.“

Wie diese Entwicklung nun weitergeht? Ich bin sehr gespannt. Oft reicht es schon aus, wenn jeder kurz darüber nachdenkt, ob er im wahren Zusammentreffen genauso handeln würde. Miteinander zu kommunizieren ist eh meist schon schwierig genug. Wir müssen es uns also nicht unnötig noch schwerer machen. Die Technik ermöglicht es uns gerade, zusätzlich zum auditiven Kommunikationskanal auch noch den visuellen zu nutzen. Das ist eine Steigerung um 100%. Nutzten Sie diese Möglichkeit und verschaffen Sie so Ihrem online Meeting „mehrWert“. Verstecken Sie sich nicht.

Bis bald …

Ihre Nina Bauer